Freitag, 2. April 2010

Der Suhrkamp Verlag veröffentlicht die „Hamburger Lektionen“ als DVD-Edition


Der Suhrkamp-Verlag startet eine neue DVD-Edition, aufgenommen wurden u.a. verfilmte Werke von Samuel Beckett und Bertolt Brecht. Als eines der ersten Projekte außerdem mit dabei: der Film „Hamburger Lektionen“ von Romuald Karmakar, der 2006 auf der Berlinale in der Panorama-Reihe Premiere hatten, später in die Kinos kam und auf ARTE zu sehen war. Der Film ging auf meinem Artikel in der FAS zurück (der Text hier). Ich erwähnte dort eine Predigt des radikalen Islamisten Mohammed Fazazi, die er in der Hamburger Moschee al-Quds am Steindamm gehalten hat. Diese Predigt ist auf Video aufgezeichnet worden. Für „Hamburger Lektionen“ wurde die Predigt nun von Romuald Karmakar – in Zusammenarbeit mit mir – Wort für Wort übersetzt und zu einem Drehbuch verarbeitet (Susan Vahabzadeh in der „Süddeutsche Zeitung“ hat absolut recht, wenn sie schreibt: „eine Heidenarbeit“). Das Dokument trägt der Schauspieler Manfred Zapatka vor. Zapatka hatte bereits eine Rede von Heinrich Himmler für ein Projekt Karmakars gelesen. Setzt man dieser Predigt aus, versteht man plötzlich sehr genau, was den Islamismus im Inneren zusammenhält.



Die Kritik urteilte über „Hamburger Lektionen“:


Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“:

Dieser Film ist die härteste Erfahrung der Berlinale 2006. Keine Explosionen, kein Blutbad, kein nacktes Fleisch. Nur drei Hocker in einem Studio. Auf einem sitzt der Schauspieler Manfred Zapatka, gefilmt in nur drei oder vier verschiedenen Einstellungen. Zweimal ist ein Ladenlokal am Hamburger Steindamm 103 zu sehen. Zapatka liest einen Text, gleichmäßig, nur selten leicht die Stimme hebend. Zwei Lektionen eines marokkanischen Imams, die "Hamburger Lektionen" von Mohammed Fazazi, gehalten in einer Moschee am Steindamm im Januar 2001, von einem Anhänger auf Video aufgezeichnet. Zu Fazazis Schülern gehörten drei der vier Piloten des 11. September. Im Oktober 2001 verschwand er unbehelligt aus Deutschland. Heute ist er ein privilegierter Häftling in Marokko, verurteilt als ein geistiger Anstifter der Selbstmordattentäter von Casablanca im Mai 2003. Im vergangenen Juli war seine Geschichte in dieser Zeitung erstmals zu lesen.

Der Autor Dirk Laabs hat auch an Romuald Karmakars Film "Hamburger Lektionen" mitgearbeitet. Karmakar, der mit seinen Filmen immer dorthin geht, wo es weh tut, hat die Videos transkribieren und übersetzen lassen. Auf der Leinwand hat er noch das letzte Spurenelement von Realismus getilgt. Es ist dieselbe drastische Reduktion, mit der er Zapatka vor sechs Jahren Himmlers Posener Rede von 1943 vortragen ließ.


[…]


Das Ungeheuerliche entsteht aus der brutalen Nüchternheit der Darstellung. Karmakar zeigt das auf die einzig angemessene Weise. Die gängigen Urteilsformen des Kinos haben ihm nie eingeleuchtet. Er dokumentiert. Was da zu hören ist, das ist nicht der Islam. Es ist

aber auch nicht so, daß es gar nichts mit dem Islam zu tun hätte. Es sind Lektionen nicht nur für die Gläubigen, an die sie adressiert waren. Durch den Film werden sie zu einer Lektion für alle, die sich diesen 133 Minuten unterziehen. Nicht nur, weil da die Frage nach

der seltsamen Untätigkeit des Verfassungsschutzes ist, nach dem Sinn von Überwachungen, da ja nicht auszuschließen ist, daß anderswo Ähnliches gepredigt wird; sondern weil der Film darüber hinaus nach der Empfänglichkeit für diese Lektionen fragt,

welche auch der Diskurs über Integration und Dialog beantworten müßte; weil man zu ersticken droht, wenn man genau zuhört, und doch ganz tief Luft holen und einen kühlen Kopf behalten muß, bevor man über diese Dinge spricht und nachdenkt. Das ist ein

ziemlich unangenehmer Zustand. Es ist der Zustand, in dem wir uns befinden. Und Karmakars Film ist so radikal, weil er uns darauf stößt.


Die „FAZ“:

„Romuald Karmakar konnte nicht wissen, daß ausgerechnet in den Tagen, in denen sein Dokumentarfilm "Hamburger Lektionen" auf der Berlinale seine Premiere erlebt, der Streit um die sakralen Gesetze des Korans die Welt erschüttern würde. Nun ist es so, und die

Auseinandersetzungen der letzten Wochen haben die Dringlichkeit der Fragen geschärft, die sich angesichts der "Hamburger Lektionen" stellen. Was wir hier sehen und vor allem hören, gibt Anlaß nicht nur zu Alarm, sondern auch zu weitgehender Hoffnungslosigkeit.“



Die „Süddeutsche Zeitung“:

Ist denn, wurde Karmakar hinterher aus dem Publikum gefragt, eine präzise Übersetzung eines solchen Textes möglich? Es wurden vor den "Hamburger Lektionen" immer nur Passagen aus diesen Predigten übersetzt. Karmakar hat für seinen Film ein Team von zehn

Übersetzern daran arbeiten lassen, Sten Nadolny war der Lektor, viele Begriffe wiederholt Zapatka im Original. Eine solche Übersetzung ist eine – wie man so schön sagt – Heidenarbeit, die ein einzelner nicht leisten kann; und man braucht vielleicht auch einen

wie Karmakar: "Ich habe halt immer wieder nachgefragt: Heißt das jetzt Volk oder eher Bevölkerung?"


Die „Neue Züricher Zeitung“:

Drei der vier Attentäter des 11. September gelten als seine Musterschüler. Die deutsche Staatsanwaltschaft hat ihn nie belangt. Zwei seiner «Lektionen», die er im Januar 2000 zu Fragen islamischer Lebensführung im Gebetsraum hielt, kursierten – vertrieben auch über die Buchhandlung der Moschee – auf Video. Durch eine Recherche des Journalisten Dirk Laabs darauf aufmerksam geworden, liess sie der Filmemacher Romuald Karmakar aus dem Arabischen sorgfältig ins Deutsche übertragen, setzte den Schauspieler Manfred Zapatka auf einen Stuhl vor Kameras und hiess ihn den Text vorlesen. Sein Film «Hamburger Lektionen», uraufgeführt an der Berlinale 2006, war nur an Festivals zu sehen. Offenbar hat dem Werk erst die jüngste Aufdeckung von Anschlagsplanungen deutscher Islamisten in die Kinos verholfen.


Wir Ungläubigen, die wir keine Moscheen besuchen und kein Arabisch verstehen, können dank Karmakar nun auch einmal mit einer Hasspredigt intime Bekanntschaft machen. Indes: Der Film ist keine Dokumentation. Aufklärung, und das macht seinen Rang aus, leistet er als Kunstwerk. Von zwei Einstellungen abgesehen, welche die Strasse zeigen, in deren Hinterhof sich die Hamburger Moschee befindet, sieht der Zuschauer 133 Minuten lang nur den vorlesenden Manfred Zapatka. Jedes geläufige Bild, das wir beim Wort Hassprediger assoziieren, wird verweigert. Eine deutsche Stimme, ein westliches Gesicht, ein in sich schlüssiger Text. Rationalität, Höflichkeit (ja Wärme), Strenge, die Autorität eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses – das bestimmt die ungemein dichte Atmosphäre, welche Zapatkas konzentrierter Vortrag erzeugt.


Konsequente Eindeutschung


Der Film vollzieht eine radikale Eindeutschung seines Stoffes. Darin liegt seine Stärke. An einer Vorführung mit anschliessender Diskussion, die nun an der Berliner Volksbühne stattfand, fühlte sich der auf dem Podium sitzende Historiker Ulrich Herbert an die geschlossenen Weltbilder der völkischen Radikalen der 1920er Jahre und die Moskauer Prozesse erinnert. Auch der Sozialpsychologe Harald Welzer lenkte den Blick auf gerade jene Strukturen in den Lektionen, für welche wir Analogien in unserer Geschichte finden. Romuald Karmakar konnte diese Voten als wissenschaftliche Bestätigung seiner Absichten nehmen. Sein Film unterläuft die typisch deutsche «Exterritorialisierung» des radikalen Islamismus, die so tut, als reife der Terror nur anderswo, nicht aber in Deutschland. Exotik hat hier keinen Platz. Zugegeben, beim Zuschauen spürten wir die Begier, Mohammed Fazazi, und sei es nur in einer kurzen Sequenz, einmal «bei der Arbeit» zu sehen. Aber warum? Um uns zu vergewissern, dass wir es mit einem fremdländischen bärtigen Kaftanträger zu tun haben? Für die Aufklärung wäre dadurch nichts gewonnen.“



LINKS:

http://www.suhrkamp.de/titel/titel.cfm?bestellnr=13508


http://www.hamburger-lektionen.de


http://www.welt.de/welt_print/article2691999/Karl-Marx-und-grosse-Oper.html

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